Universität Bonn

Katholisch-Theologische Fakultät

01. Oktober 2024

Katholische Theologie als kulturelles Laboratorium Katholische Theologie als kulturelles Laboratorium

Erklärung der deutschen Bischöfe zur Bedeutung der katholischen Theologie für Wissenschaft, Gesellschaft und Kirche

1. Oktober 2024

Uni Bonn
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Katholische Theologie als kulturelles Laboratorium

Erklärung der deutschen Bischöfe zur Bedeutung der katholischen Theologie für Wissenschaft, Gesellschaft und Kirche

1. Oktober 2024


Die Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz hat am 25. September 2024 in Fulda die nachfolgende Erklärung zur Bedeutung der katholischen Theologie für Wissenschaft, Gesellschaft und Kirche angenommen.

Link zur Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz

DBK-Pressemitteilung (PDF)


Die Pressemitteilung im Wortlaut:

Die katholische Theologie soll im Sinn eines kulturellen Laboratoriums aus dem christlichen Glauben die Wirklichkeit deuten, Instrumente entwickeln, die sich als Paradigmen eines Handelns und Denkens erweisen, und einen eigenen Beitrag zur Bewältigung gesellschaftlicher und sozialer Herausforderungen der Gegenwart erbringen (vgl. Papst Franziskus, Apostolische Konstitution Veritatis gaudium, Nr. 3).

Die vernunftgeleitete Rechenschaft über den Glauben ist ein Wesensmerkmal des Christentums, das in der Geschichte der Kirche unterschiedliche institutionelle und wissenschaftliche Formen angenommen hat. Seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts existieren in Deutschland an staatlichen Hochschulen neben den Theologischen Fakultäten auch Theologische Institute für Religionslehrerbildung. Neben solchen staatlichen Einrichtungen gibt es eine Reihe von Fakultäten und Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft. An staatlichen Hochschulen ist die Theologie durch eine profilierte inter- und transdisziplinäre Ausrichtung gekennzeichnet. Dadurch leistet sie einen substanziellen Beitrag nicht nur für die akademische Forschung, sondern auch für die Gesellschaft und die Kirche.

Angesichts einer zunehmenden religiösen Vielfalt und einer säkularer werdenden Gesellschaft in Deutschland stehen die theologische Forschung und Lehre an staatlichen und kirchlichen Hochschulen vor neuen Herausforderungen. Zugleich sehen sich Landesregierungen, Universitätsleitungen und Bistümer mit wachsenden Finanzierungsschwierigkeiten und Sparzwängen konfrontiert. Demografische Entwicklungen sowie rückläufige Zahlen an Studierenden, Promovierenden und Habilitierenden – bedingt auch durch die Krise der katholischen Kirche –, werfen an vielen Hochschulstandorten die Frage nach der Zukunft der katholischen Theologie auf.

Vor diesem Hintergrund vertreten wir deutschen Bischöfe die Auffassung, dass die katholische Theologie auch weiterhin einen substanziellen Beitrag für die Gesellschaft und die Kirche in Deutschland leisten kann und wird, wie auch die Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz mit ihrer Stellungnahme Theologie in der Gesellschaft vom 6. Juni 2024 hervorgehoben hat. Wir bekräftigen einmütig die Bedeutung der theologischen Forschung und Lehre an staatlichen und kirchlichen Hochschulen. Deshalb setzen wir uns entschieden für den Fortbestand Katholisch-Theologischer Fakultäten und Institute an staatlichen Hochschulen ein.

1.  Wir deutschen Bischöfe bekräftigen einmütig die Bedeutung der theologischen Forschung und Lehre an Universitäten und Hochschulen. Die im Jahr 2010 vom Deutschen Wissenschaftsrat vorgelegte Einschätzung der tragenden Rolle wissenschaftlicher Theologien an deutschen Hochschulen machen wir uns zu eigen. Theologische und nichttheologische Wissenschaften profitieren gleichermaßen von einem inter- und transdisziplinären Austausch, wie er unter anderem von Papst Franziskus in seinem Schreiben Ad theologiam promovendam (2023) gefordert wird und an deutschen Hochschulen selbstverständliche Praxis ist. Die Natur-, Geistes- und Kulturwissenschaften sowie die Medizin finden in der Theologie eine kompetente Gesprächspartnerin, wenn es um Fragen geht, die das religiöse Erbe der Menschheit, die Wirklichkeit im Ganzen, die Anthropologie oder die Ethik betreffen.

Da Religionen kulturell geprägt sind, umfasst die Theologie als Glaubenswissenschaft auch eine kulturwissenschaftliche Perspektive. Von der Philosophie und den religionswissenschaftlichen Disziplinen unterscheidet sie sich dadurch, dass sie ihre religionsbezogene Forschung und Lehre aus der Teilnehmerperspektive heraus betreibt. Diese reflektiert sie kritisch und selbstkritisch. Ihrem Selbstverständnis als „Haus der Wissenschaften“ entsprechend kann die Universität auf eine solche Perspektive nicht verzichten. Damit trägt sie auch dem Umstand Rechnung, dass jede Wissenschaft auf ihr eigenen Voraussetzungen und Überzeugungen beruht.

2.   Wir deutschen Bischöfe bekräftigen einmütig den substanziellen Beitrag theologischer Forschung und Lehre für die Gesellschaft. Die Anregungen, welche die Theologie aus dem Bewusstsein einer Jahrhunderte währenden Reflexion auf die Möglichkeiten gelingenden menschlichen Lebens in sozialen Bezügen liefert, wirken über den Rahmen der Universitäten und Hochschulen hinaus in die Gesellschaft hinein. Der grundgesetzlich gewährleistete Religionsunterricht trägt dazu bei, Fragen nach der eigenen Identität und dem Sinn des Ganzen, aber auch neue ethische Herausforderungen in den Zusammenhang eines christlichen Zugangs zur Welt und zum Menschen einzuordnen. Über den Religionsunterricht hinaus arbeiten Theologinnen und Theologen in vielfältigen Berufsfeldern und tragen damit zur Stärkung von Pluralität und Demokratie in der Gesellschaft bei.

Indem die Theologie als kritische Selbstreflexion des christlichen Glaubens verstanden und vollzogen wird, wirkt sie fundamentalistischen Tendenzen in Kirche, Religion und Gesellschaft entgegen. Eine öffentlich wirksame wissenschaftliche Theologie entzieht polarisierenden Tendenzen in Politik und Gesellschaft das ideologische Fundament. Sie stellt Kompetenzen zur Erfassung und Versprachlichung religiöser Phänomene bereit, die in einer pluralen Gesellschaft dringend vonnöten sind. Im interreligiösen Dialog trägt die wissenschaftliche Theologie konstruktiv zur Verständigung und zu friedvollem Miteinander bei.

3.  Wir deutschen Bischöfe bekräftigen einmütig die Bedeutung der theologischen Forschung und Lehre für die Kirche in Deutschland und weltweit. Eine wissenschaftlich auf der Höhe ihrer Zeit vollzogene Theologie dient in kritisch- konstruktiver Reflexion dem vielseitigen Engagement der Kirche in gottesdienstlicher Praxis (Liturgie), Verkündigung (Mission) und Seelsorge (Pastoral, Diakonie). Für den schulischen Unterricht liefert sie fachliche Anregungen und religionspädagogische Kompetenzen. Notwendige Veränderungen in der Kirche begleitet die Theologie in kritischer Zeitgenossenschaft und in sachgerechtem Bezug auf die Quellen des Glaubens. Auf diese Weise trägt sie zu einer gegenwartssensiblen Gestalt von Kirche bei.

Theologie ist ein „kulturelles Laboratorium, in dem die Kirche jene performative Interpretation der Wirklichkeit ausübt, die dem Christusereignis entspringt und sich aus den Gaben der Weisheit und der Wissenschaft speist“ (Papst Franziskus, Veritatis gaudium, Nr. 3). Auf der Grundlage dieses Selbstverständnisses gewährleistet die an staatlichen und kirchlichen Hochschulen gelehrte Theologie die qualifizierte wissenschaftliche Ausbildung von Priestern, Diakonen, Personen des geweihten Lebens und engagierten Laien in Berufen innerhalb und außerhalb der Kirche. Zahlreiche Studierende, Lehrende und Forschende aus allen Kontinenten tragen maßgeblich dazu bei, dass theologische Diskurse internationalisiert und für die Weltkirche fruchtbar werden.

An staatlichen Universitäten und kirchlichen Hochschulen gelehrte Theologie versteht sich als Dienst an der Einheit und Sendung der Kirche in Deutschland und weltweit. Indem sie Forschung und Lehre in ökumenischer Verantwortung vollzieht, dient die katholische Theologie der Einheit der Christenheit. Darüber hinaus legt sie stabile Fundamente für einen Dialog der Religionen sowie für den Dialog zwischen Religionen und einer säkularen Öffentlichkeit.

Der Dienst der Theologie für die Kirche und Gesellschaft in Deutschland, ihre Mitwirkung für das Gelingen einer pluralen und zugleich solidarischen Gesellschaft und schließlich ihr Beitrag zu einer umfassenden Wissenskultur an den Hochschulen können nur gewährleistet werden, wenn die Theologie in Deutschland auch in Zukunft eine gesicherte institutionelle Grundlage hat. Die universitären Standards guter wissenschaftlicher Praxis gelten auch für die Theologie. Hier muss die Berufung von Personen auf Professuren nach dem Prinzip der „Bestenauslese“ erfolgen, das gleichermaßen für Laien wie für Priester gilt. Als Bischöfe setzen wir uns für kürzere und transparentere Verfahren zur Erteilung der Unbedenklichkeitserklärung des Heiligen Stuhls (Nihil obstat) ein.

Wegen ihrer inneren Vielfalt und mit Blick auf ihre transdisziplinäre Ausrichtung braucht katholische Theologie die Vielfalt der Disziplinen und eine inhaltliche Profilierung unterschiedlicher Standorte. Die katholisch-theologischen Fakultäten und Institute sowie die einzelnen Disziplinen der Theologie rufen wir Bischöfe deshalb dazu auf, sich inhaltlich und strukturell fortzuentwickeln, um ihre unverzichtbaren Aufgaben in Universität, Gesellschaft und Kirche immer besser erfüllen zu können.


Herausgeberin:
Dr. Beate Gilles, Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz 

Redaktion:
Matthias Kopp, Pressesprecher

Kaiserstraße 161

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