Universität Bonn

Katholisch-Theologische Fakultät

03. Juni 2024

Für die Zukunft Katholisch-Theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten Für die Zukunft Katholisch-Theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten

Stellungnahme der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz

Uni Bonn
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Für die Zukunft Katholisch-Theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten

Stellungnahme der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz

6. Juni 2024


Prof. Dr. Andreas Odenthal, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, begrüßt die Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz: „Die universitäre Theologie ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer akademischen Landschaft. Sie ermöglicht es, den Glauben in einem wissenschaftlichen Kontext zu reflektieren und aus dem Austausch mit den unterschiedlichen Disziplinen zu lernen.“ Die Theologie müsse sich dabei immer wieder mit neuen Fragestellungen beschäftigen und gerate dadurch nicht in die Gefahr, im akademischen Elfenbeinturm zu bleiben. „Es ist ein wichtiges Zeichen, dass die Deutsche Bischofskonferenz diese Tatsache anerkennt und sich so deutlich für den Erhalt der Katholischen Fakultäten positioniert.“

Link zur Meldung der Universität Bonn

Link zur Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz

DBK-Pressemitteilung (PDF)


Die Pressemitteilung im Wortlaut:

1.   Glaube und Vernunft stehen sich nach christlichem Verständnis nicht als widerstreitende Prinzipien gegenüber. Beide betreffen das Verhältnis des Menschen zur Wirklichkeit. Einen fundamentalen Widerspruch zwischen Glauben und Vernunft kann es daher letztlich nicht geben. Die rationale Durchdringung des Glaubens und die Verantwortung desselben sowohl als Glaubensakt als auch in seinen Inhalten sind integrale Bestandteile des Glaubens selbst. Dieser nach Verstehen suchende Glaube – fides quaerens intellectum – ist den Rationalitätsstandards, Denkformen und Wissenskulturen der jeweiligen Zeit und Kultur nicht enthoben, sondern ist diesen vielmehr verpflichtet. Sie stellen den notwendigen Kontext bereit und bilden die kontextuellen Bedingungen, um der Person selbst die Bedeutung des christlichen Glaubens nach innen zu erschließen, d. h. ihn zu verstehen sowie ihn nach außen zu kommunizieren und zu rechtfertigen. Schließlich fordert bereits der erste Petrusbrief: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt“. (1 Petr 3,15) Die jeweilige Gegenwartskultur bildet den unhintergehbaren Verstehenshorizont, um den Sinn des Glaubens, seine Inhalte und seine existenzielle Bedeutsamkeit rational verantwortet auszuweisen. In wissenschaftlicher Form leistet das die Theologie. Bereits in den biblischen Schriften und in der frü hen Kirche wird deutlich, dass das  Anliegen, den Glauben in unterschiedlichen Zeiten und Kulturen verständlich zu machen, nicht im Modus einer reinen Übersetzungsarbeit erfolgen, sondern sich nur im Dialog und Diskurs vollziehen kann.

2.   In unserem Bildungs- und Wissenschaftssystem, das durch das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit geschützt ist (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG), ist es die Universität, in der die verschiedenen Wissenschaften mit ihren jeweiligen Gegenständen und Methoden – einschließlich der Theologien – ihren gemeinsamen institutionellen Ort haben. Die Universität bildet somit die unterschiedlichen Rationalitätsstandards, Denkformen und Wissenskulturen ab, die für die Gesellschaft von Bedeutung sind. Sie ist zudem der Ort der wissenschaftlich und institutionell verantworteten, systemisch regulierten und geförderten Wissensproduktion und Wissensreproduktion, der kritischen Reflexion, des interdisziplinären Gesprächs und des Diskurses. Zugleich nimmt sie angesichts großer Herausforderungen gesellschaftliche Verantwortung wahr, ohne sich ausschließlich einer ökonomischen Rationalität oder Verzweckungslogik zu verschreiben. In Deutschland herrscht an den Universitäten die Wissenschaftsfreiheit. Neben den wissenschaftlichen Standards verpflichten sich die Universitäten den Standards guter wissenschaftlicher Praxis und ethischer Verantwortlichkeit. In der Regel werden die Universitä ten in Deutschland von der öffentlichen Hand getragen und finanziert.

3.   In seinen Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen hat der Wissenschaftsrat im Jahr 2010 die Bedeutung der Theologie an der Universität hervorgehoben: „Die Ausgrenzung der Theologien in eigenstä ndige kirchliche Institutionen kann der Abschließung der jeweiligen Religionsgemeinschaft gegenü ber der Gesellschaft Vorschub leisten. Daher haben Staat und Gesellschaft auch ein Interesse an der Einbindung der Theologien in das staatliche Hochschulsystem. Die Integration der Theologien stellt sicher, dass die Gläubigen ihre faktisch gelebten Bekenntnisse im Bewusstsein artikulieren, von außen auch als historisch kontingent betrachtet werden zu können. Sie konfrontiert die Religionsgemeinschaften mit der Aufgabe, ihren Glauben unter sich wandelnden Wissensbedingungen und -horizonten immer neu auslegen zu müssen. Dies kann am besten unter den an Universitä ten geregelten Bedingungen wissenschaftlicher Kommunikation und Erkenntnisproduktion gelingen. Damit beugen Staat und Gesellschaft auch Tendenzen zur Vereinseitigung und Fundamentalisierung von religiösen Standpunkten vor.“ (S. 56) Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Theologie an der Universität sind der christlichen Theologie nichts Fremdes, sondern konvergieren mit hermeneutischen Voraussetzungen des christlichen Glaubens und der Theologie.

4.   Neben der Forschung nennen die Empfehlungen des Wissenschaftsrats auch den Bereich der Ausbildung für kirchliche Berufe. Der Wissenschaftsrat „ist [...] grundsä tzlich der Auffassung, dass die Ausbildung des geistlichen Personals der Kirchen auch kü nftig vorwiegend im Rahmen des staatlichen Hochschulsystems erfolgen sollte. Andernfalls kann es leicht zu einer Gefährdung der wissenschaftlichen Standards von Lehre und Forschung kommen, da der Austausch und die Auseinandersetzung mit den akademischen Ansprüchen einer Universität fehlen. Die Gesellschaft hat deshalb ein vitales Interesse daran, die Religionsgemeinschaften in den universitären Diskurs auch institutionell einzubinden [...]. Einer Auslagerung von Teilen der theologischen Ausbildung sollte daher vorgebeugt werden.“ (60 f.) Der Wissenschaftsrat hebt das gesellschaftliche Interesse hervor, die wissenschaftliche Qualifikation von Religionslehrerinnen und Religionslehrern sowie der pastoralen Berufe an staatlichen Einrichtungen anzusiedeln, um bei Anerkennung der Religionsfreiheit die Rationalitätsstandards sicherzustellen.

5.   Angesichts der großen weltanschaulichen Pluralität und ihren vielfältigen Spannungen wird die gesellschaftliche Relevanz von Religion und Glaube sehr unterschiedlich eingeschätzt. Ihrem Selbstverständnis nach hat die katholische Kirche ein grundlegendes eigenes Interesse daran, integraler Bestandteil der Gesellschaft – und damit auch der Wissensgesellschaft – zu sein, um kritisch und konstruktiv ihrem Auftrag der Evangelisierung nachkommen zu können. Dies schließt den bleibenden Selbstanspruch ein, im Dialog mit den Wissenschaften und Kulturen zu bleiben (vgl. GS 44) und sich nicht zu isolieren. Darin begründet sich nicht zuletzt auch das kirchliche Interesse, dass die Theologie an Universitäten vertreten sein soll. Denn die Universitä t stellt die erstrangige Wissenschaftseinrichtung dar, die die Bedingungen für das interdisziplinä re Gesprä ch sowie Forschung und Lehre gemäß den Rationalitätsstandards und staatlich garantierten Grundrechten institutionell bereitstellt.

6.   Das Zweite Vatikanische Konzil anerkennt in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes aus schöpfungstheologischen Gründen die wissenschaftstheoretische, erkenntnistheoretische und methodologische Eigenbedeutung der einzelnen Wissenschaften, die sich mit unterschiedlichen Phänomenen der Wirklichkeit befassen. Es hebt daher die Bedeutung des Dialogs mit den Wissenschaften hervor: „Wenn wir unter Autonomie der irdischen Wirklichkeiten verstehen, dass die geschaffenen Dinge und auch die Gesellschaften ihre eigenen Gesetze und Werte haben, die der Mensch schrittweise erkennen, gebrauchen und gestalten muss, dann ist es durchaus berechtigt, diese Autonomie zu fordern. Das ist nicht nur eine Forderung der Menschen unserer Zeit, sondern entspricht auch dem Willen des Schöpfers. Durch ihr Geschaffensein selber nämlich haben alle Einzelwirklichkeiten ihren festen Eigenstand, ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Gutheit sowie ihre Eigengesetzlichkeit und ihre eigenen Ordnungen, die der Mensch unter Anerkennung der den einzelnen Wissenschaften und Techniken eigenen Methode achten muss. Vorausgesetzt, dass die methodische Forschung in allen Wissensbereichen in einer wirklich wissenschaftlichen Weise und gemäß den Normen der Sittlichkeit vorgeht, wird sie niemals in einen echten Konflikt mit dem Glauben kommen, weil die Wirklichkeiten des profanen Bereichs und die des Glaubens in demselben Gott ihren Ursprung haben. Ja wer bescheiden und ausdauernd die Geheimnisse der Wirklichkeit zu erforschen versucht, wird, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist, von dem Gott an der Hand geführt, der alle Wirklichkeit trägt und sie in sein Eigensein einsetzt.“ (GS 36) Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, wenn einzelne Wissenschaften Aussagen treffen, die ihre methodische und inhaltliche Reichweite überschreiten oder sich selbst verabsolutieren. Dies gilt auch für die Theologie. Ebenso gilt das für theologische Aussagen und wenn aus dem Glauben heraus Aussagen getroffen werden, die den Kompetenzbereich anderer Wissenschaften betreffen, ohne deren Methoden oder Erkenntnisse zu respektieren.

7.   Im Unterschied zu den Religions- und Kulturwissenschaften, die religiöse Phä nomene lediglich als Objekt ihrer wissenschaftlichen Reflexion erfassen und somit hermeneutisch-deskriptiv verfahren, setzt die Theologie grundsätzlich eine bestimme Perspektive voraus, mit der sie einen Wahrheitsanspruch verbindet. Sie lässt sich daher zugleich als Glaubenswissenschaft verstehen, als „Wissenschaft von Gott“ wir ihr Name sagt oder als „Wissenschaft der Wahrheiten über Gott“  (John  Henry  Newman).  Das  eröffnet  ihr  die  Möglichkeit, sich kritisch mit weltanschaulichen Positionen auseinanderzusetzen sowie ethische und existenzielle Sinnressourcen im christlichen Deutungshorizont diskursiv einzubringen. Auf diese Weise leistet die Theologie einen wesentlichen wissenschaftlichen Beitrag zur Reflexion der praktischen Selbst- und Weltverortung des Menschen. In der Theologie und auch in ihrem Umfeld wird so die Aufmerksamkeit auf eine kritische Haltung gegenüber zweifelhaften oder nicht hinreichend begründeten Geltungsansprüchen in den Aussagen von Wissenschaften erzeugt, die schmerzlich fehlen würde, gäbe es die universitäre Theologie nicht.

8.   Angesichts dieser grundlegenden Bedeutung der Theologie für ein kritisches Verstehen des Menschen, seiner praktischen Selbst- und Weltverortung sowie seiner lebensweltlich-ethischen Orientierung kann die Aufgabe, die die Theologie erfüllt, von keiner anderen Wissenschaft an der Universität erfüllt werden. Mit ihrem spezifischen Ansatz kann die Theologie eine sinn- und ideologiekritische Funktion ausüben, die sich gegen eine Verabsolutierung wissenschaftlicher Aussagen, gegen fundamentalistische Tendenzen im Religiösen oder gegen eine Ideologisierung staatlicher oder ökonomischer Herrschaft richtet. Zugleich bringt die Theologie angesichts existenzieller Grenzerfahrungen mit ihren Traditionen einen Erfahrungsschatz an sprachlich-symbolischen Ausdrucksformen für das Unsagbare ein. Darüber hinaus bietet sie einen inhaltlichen Reichtum für das Selbstverstehen des Menschen, seine Beziehung zu den Mitmenschen, zur Gesellschaft und zur Natur sowie zur Transzendenz, zu Gott und eröffnet somit eine spezifische sinnorientierte Perspektive auf den Anspruch moralischen Handelns. Theologie kann in ihren Teildisziplinen und als Ganzes vor diesem Hintergrund gleichsam als wissenschaftlicher Resonanzraum des Unverfügbaren im Kontext der Universität verstanden werden. Ohne die Theologie würde der Universität etwas Wesentliches fehlen. Ihre Bedeutung erschöpft sich nicht darin, Ausbildungsdisziplin zu sein. Daher sollte es ein gemeinsames Interesse von Kirche, Wissenschaft und Gesellschaft sein, dass die Theologie auch weiterhin an unseren Universitäten verankert ist.

9.   Aber auch die Kirche erfährt eine Bereicherung durch eine sich im universitären Diskurs bewährende Theologie, die sich schwer ersetzen ließe: Gewissermaßen in Echtzeit verantwortet sich hier der Glaube vor dem Forum der Vernunft; die Theologie sucht im Sinne eines „kulturellen Laboratoriums“ (Veritatis gaudium 3) nach angemessenen Reflexionsmodellen und Ausdrucksformen des Glaubens in der Welt von heute. So sorgt die universitäre Theologie hier für eine dauernde Vergewisserung über die Inhalte und Methoden des Glaubens, für Vertiefung und Erweiterung nicht nur des Wissens, sondern auch des Verstehens der Wahrheiten, die die Glaubenden in Worten und Zeichen des Glaubens erfahren. Darin versteht sie sich gemäß den Vorgaben des Zweiten Vatikanums als an die kirchliche Wirklichkeit zurückgebunden. Der Theologie kommt es auf diese Weise zu, hellhörig und aufmerksam an einer Schnittstelle von Glauben und Vernunft in den zeitgenössischen wissenschaftlichen und akademischen Diskursen die Zeichen der Zeit wahrzunehmen, zu ihrer Deutung im Licht des Evangeliums beizutragen und dabei die Konvergenzen mit der Schrift, der Tradition und der Lehre der Kirche im Blick zu behalten. Die Theologie kann so durchaus gelegentlich eine Herausforderung darstellen; sie ist aber in ihrer zukunftsoffenen Bedeutung für den Glauben nicht zu unterschätzen.


Herausgeberin:
Dr. Beate Gilles, Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz 

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