Universität Bonn

Katholisch-Theologische Fakultät

13. November 2023

Die Katholisch-Theologische Fakultät trauert um Prof. P. DDr. Dr. h.c. Hans Waldenfels SJ Die Katholisch-Theologische Fakultät trauert um Prof. P. DDr. Dr. h.c. Hans Waldenfels SJ

Emeritus für Fundamentaltheologie, Theologie der Religionen und Religionsphilosophie

* 20.10.1931   + 12.11.2023

In Memoriam
In Memoriam © unsplash/Mike Labrum
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Die Katholisch-Theologische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn trauert um

Prof. P. DDr. Dr. h.c. Hans Waldenfels SJ

Emeritus für Fundamentaltheologie, Theologie der Religionen und Religionsphilosophie
* 20.10.1931   + 12.11.2023


Nachruf von apl. Prof. Dr. René Buchholz

Der Kreis jener Theologinnen und Theologen, die nicht nur Zeitzeugen der Konzilsepoche waren, sondern in deren theologische Reflexion die Impulse des Konzils eingingen und auf eigene Weise in den folgenden Jahrzehnten weitergeführt wurden, wird kleiner. Eine Generation wird abberufen, der die Jüngeren so manches verdanken und ohne deren immense Arbeit sie vielleicht nicht zur Theologie gekommen wären.

Zu dieser Generation gehörte der 1931 in Essen geborene Jesuit Hans Waldenfels. 1951 trat er in das Noviziat ein, studierte in Pullach und auf Initiative Pedro Arrupes in Hiroshima, Tokyo und Kyoto; in Tokyo wurde Waldenfels zum Priester geweiht. Der Einfluss der Kyoto-Schule (Kitarō Nishida, Keiji Nishitani u.a.) zeigt sich in seiner Habilitationsschrift, die durchaus als erstes Hauptwerk angesehen werden kann: Absolutes Nichts. Zur Grundlegung des Dialogs zwischen Buddhismus und Christentum (1976 22013). 1977 erfolgte die Berufung auf den Lehrstuhl für Fundamentaltheologie, Theologie der Religionen und Religionsphilosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, den er bis zu seiner Emeritierung 1997 innehatte. Pastorale Aufgaben nahm er u.a. in seiner Funktion als Pfarrverweser in St. Remigius, Düsseldorf-Wittlaer wahr (1991-2006). Düsseldorf blieb er weiterhin über die Vortragsreihe Mittwochsgespräche verbunden, deren Leitung er 1976 von Msgr. Dr. Carl Klinkhammer bis 2002 übernahm und mit dieser Reihe eine Brücke von der universitären Forschung zur Erwachsenenbildung baute.

Mit der Berufung von Hans Waldenfels entschied sich die Fakultät zugleich für einen neuen thematischen Schwerpunkt: Hatte der Vorgänger, der Heisenberg-Schüler Heimo Dolch (1912-1984), sich in besonderem Maß dem Verhältnis von Naturwissenschaft und Theologie gewidmet, so wechselte die Aufmerksamkeit des Fachs nun in Richtung einer Theologie der Religionen, der nicht nur Nostra Aetate, sondern auch die Offenbarungskonstitution Dei Verbum neue Impulse jenseits exklusivistischer Verengungen eröffneten. Tatsächlich gehörte die ausführliche Entfaltung des Offenbarungsbegriffs zu jenem fundamentaltheologischen Traktat, dem Waldenfels besondere Aufmerksamkeit schenkte (so schon Offenbarung. Das 2. Vatikanische Konzil auf dem Hintergrund der neueren Theologie, 1969, siehe auch seine Mitarbeit am Handbuch der Dogmengeschichte), denn das II. Vatikanische Konzil wandte sich nicht nur von einem instruktionstheoretischen Offenbarungsbegriff ab, sondern öffnete sich einer differenziert argumentierenden Theologie der Religionen. Seinen Studien in Japan entsprechend hatte Waldenfels einen besonderen Schwerpunkt auf den Religionen Asiens, ohne dabei Judentum und Islam aus dem Blick zu verlieren.

Mit Zurückhaltung betrachtete er die drei Grundmodelle religionstheologischer Argumentation, die zu vorschnellen Einordnungen religiöser Phänomene führen können, während es darauf ankommt, sie in ihrem kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu begreifen. So lotete er die Möglichkeiten und Grenzen des inklusivistischen Paradigmas aus und bemühte sich um eine faire Diskussion des Buches seines Ordensbruders Jacques Dupuis (1923-2004) Toward a Christian Theology of Religious Pluralism (1997 / 2004), das auf Reserven seitens der römischen Glaubenskongregation stieß. Der darin ausgedrückte Gedanke, dass Elemente der Wahrheit in anderen Religionen sogar deutlicher artikuliert sein können als in der Geschichte des Christentums, war einer Theologie nicht fremd, die um die historischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge wusste, die dem Text nicht äußerlich bleiben, sondern in ihn eingehen.

Ähnlich bemüht um eine faire Diskussion war Waldenfels in dem Konflikt der Theologie der Befreiung mit der römischen Glaubenskongregation. Für die deutsche Übersetzung von Clodovis Boffs Theorie und Praxis (1983; 21985) verfasste er ein Vorwort, in welchem er Boff ermunterte, sich epistemologisch noch stärker auf den eigenen, den lateinamerikanischen Kontext zu beziehen.

Die Grundlagen seines eigenen Zugangs entwickelte Waldenfels in seinem zweiten Hauptwerk (sofern die Distinktion in Haupt- und Nebenwerke überhaupt sinnvoll ist): Kontextuelle Fundamentaltheologie (1985; 42005). Es ist zugleich eine Einführung in die unterschiedlichen Traktate der Fundamentaltheologie, die sich als detaillierte Explikation des Satzes „Gott hat sich uns in Jesus Christus geoffenbart“ unter den Bedingungen einer nicht mehr selbstverständlich christlich geprägten Gesellschaft versteht (42005: 38). Zugleich trägt dieser Zugang der Tatsache Rechnung, dass „die christliche Glaubensverkündigung … grundsätzlich wie aktuell durch die Orte und Zeiten bedingt“ ist und sich ein Pluralismus herausbildete, der das „Abendland zu einem Kontinent unter anderen, unsere Völker zu einzelnen Völkern unter vielen anderen und das Christentum zu einer Religion unter anderen Religionen werden lässt“ (42005: 18), ein Umstand, der auch für das Selbstverständnis des Christentums zentral wird, wie eine spätere Studie zeigt: Phänomen Christentum. Eine Weltreligion in der Welt der Religionen (1994). Von Franz Kardinal König übernahm Waldenfels das religionswissenschaftliche Wörterbuch das er 1987 unter Mitarbeit vieler Kolleginnen und Kollegen in vollständiger Neubearbeitung unter dem Titel Lexikon der Religion herausgab. Es erlebte insgesamt vier Auflagen.

Der Breite seines Interesses entsprechend waren auch seine Seminare angelegt. Die thematische und epistemologische Vielfalt der Arbeiten – Diplomarbeiten, Dissertationen und Habilitationsschriften –, die an seinem Lehrstuhl geschrieben wurden, legt davon Zeugnis ab: Auseinandersetzungen mit Judentum und Islam, kritischer Theorie und postmodernen Autoren – und natürlich mit asiatischen Religionen. Aber auch Arbeiten aus dem Themenkreis seines Vorgängers zur Diskussion mit den Naturwissenschaften gehörten dazu.

Waldenfels gelang es, dass die Theologie der Religionen und die Erforschung ihrer kulturellen Kontexte einen Platz und eine Zukunft an der Bonner Fakultät hat. Seine Forschungsarbeit fand internationale Beachtung. Die Gründung der Waldenfels-Born-Stiftung im Jahr 2010 sollte kontextuellen Forschungen einen finanziellen Rahmen durch Stipendien und Förderung von Publikationen sichern. Bei allem Erfolg dieses Projektes waren die letzten Jahre mehr und mehr gekennzeichnet von einer wachsenden Ungeduld angesichts des innerkirchlichen Reformstaus. Die Erwartungen an Papst Franziskus, selbst Jesuit, die Waldenfels in einer Reihe von Schriften artikulierte, erfüllten sich nicht. Weder die Weihe von „viri probati“, noch überfällige strukturelle Reformen waren in Sicht. Bei aller Loyalität gegenüber seiner Kirche und seinem Orden verlieh Waldenfels seiner Enttäuschung in den letzten Aufsätzen und Stellungnahmen deutlich Ausdruck. Nicht nur für Hans Waldenfels, sondern für die ganze Kirche wäre es ein Gewinn gewesen, wenn der „Anfang eines Anfangs“, wie sein älterer Ordensbruder Karl Rahner das Konzil einmal bezeichnete, eine deutlicher konturierte Fortsetzung gefunden hätte. Sie bleibt Desiderat, von dessen Erfüllung abhängt, ob das Christentum in Europa angesichts einer von Waldenfels schon vor Jahrzehnten diagnostizierten postchristlichen Moderne noch eine Zukunft haben soll.

Mit großem Dank für sein Wirken werden die Universität Bonn und die Katholisch-Theologische Fakultät Hans Waldenfels stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Für die Fakultät:
Prof. Dr. Andreas Odenthal, Dekan

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