Zum Verständnis der Pastoraltheologie
Die Wirklichkeit
vertritt die Ideologie,
sie sei wirklich.
Und das ist sie nicht.
Alexander Kluge
1. „Pastoral“
ist nach der Transformation des Begriffes in Gaudium et spes keine bukolische Metapher noch Berufsstandsanzeige, sondern ein kritischer Begriff zur Beschreibung des Kirche-Welt-Verhältnisses: es geht um eine Relation.
2. Pastoraltheologie
denkt in Relationen und blickt in mehrfacher Weise auf die Wirklichkeit. Zum einen geht es um statthabende Praktiken (Ist-Zustand, Deskription, Außen) und zum anderen um Ver(un)sicherung durch die Vor-Gabe bzw. durch das Kontrafaktische (Soll-Vorgabe, Normativität, Innen).
3. Ästhetik
Ein "Blick" ist dabei nie unschuldig, sondern bringt als Effekt zwar nicht das Gegebene, so doch zumindest eine Deutung desselben und damit dieses in anderer Weise hervor. Diesen Blick vermag eine diskurskritisch ausgerichtete Pastoraltheologie zu analysieren, indem sie nach den Rahmungen fragt (Epistemik) und Transformationen anregt und erprobt, die Räume des Zwischen ermöglichen (Praktik).
4. Diskurskritik
Insofern ist Pastoraltheologie formal verstanden eine Praktik der Kritik und eine Kritik der Praktiken. Sie relationiert, gestützt auf die Re- und De-Kontextualisierungen von Heiliger Schrift und Tradition, fortwährend Ort und Raum, Statik und Bewegung.
5. Lehre
Vor diesem Hintergrund greift das Seminar für Pastoraltheologie in der Lehre folgende Aspekte auf und widmet sich
- der Hinführung in diesen Verstehenshorizont (Einführung: M4, LG4, MBasis)
- der Relationierung von Kultur und Evangelium, m.a.W. der Einführung in eine diskurskritisch verfahrende Praktische Theologie (Grundlagen: M11, LA4, MAufb)
- der humanwissenschaftlichen Vertiefung (Pastoralpsychologie: M12, LA4, MAufb)
- dem Beschreiben und Deuten der Pastoral mithilfe soziologischer und kulturwissenschaftlicher Modelle (Glaube in heutiger Kultur: M13, LA4, MAufb)
- der Anregung von Praktiken, die geeignet sind, Polaritäten – etwa jene von Kirche und Welt – auszuhalten (Vertiefungsstudien zu Seelsorge oder zur Gemeindebildung: M21, LM2, MAufb)
- dem Dialog mit der heutigen Kultur und benachbarten wissenschaftlichen Disziplinen (Vertiefungsstudien zu Literatur, Theater und Kunst: M21, LM2, M Aufb)
- dem Einüben und Vertiefen diskurskritischen Fragens in regelmäßigen Lektüreseminaren (Hauptseminar, M15, M23, LWP4a, LFD2)
- dem kulturellen Übersetzen theologischer Sprache in Bilder und der Einführung in die Medienarbeit (Medienkompetenzseminar: M15, M23, LWP4b, MAufb)
- dem kulturellen Übersetzen in Theater und Theologie (Theaterseminar: M15, M23, LWP4a, MAufb)
1818
Gründung der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn mit Pastoraltheologie als einem von sechs Gründungslehrstühlen.
1858
40 Jahre nach Gründung der Fakultät wurde der Lehrstuhl für Pastoraltheologie erstmals durch den außerordentlichen Professor Dr. A. Buse vertreten.
1859-1877
Bereits nach einem Jahr übernahm der außerordentliche Professor Dr. L.M. Roth die Lehrstuhlvertretung.
1882-1902
Im Jahre 1882 bzw. 1886 wurde der Lehrstuhl erstmalig mit einem ordentlichen Professor besetzt, mit Prof. Dr. H. Kellner. Bis 1886 vertrat Kellner zusätzlich die Fächer Kirchengeschichte und Liturgie.
1902
Lehrstuhlvertretung durch den außerordentlichen Professor Dr. A. Brandt.
1912-1917
Prof. Dr. A. Brandt übernahm als ordentlicher Professor den Lehrstuhl.
1917-1933
Der Lehrstuhl wurde von Prof. Dr. A. Lauscher übernommen. 1919 übernahm dieser ein Landtagsmandat, weswegen er seine Lehrtätigkeit nicht mehr wahrnehmen konnte.
1924-1941
Professor Dr. F.J. Peters übernahm ersatzweise den Lehrstuhl für Pastoraltheologie.
1934
Die pastoraltheologische Professur wurde von der national-sozialistischen Regierung als "künftig wegfallend" eingestuft.
1945/46
Der Lehrstuhl wird mit Professor Dr. F.J. Peters reaktiviert, nachdem er nach 1941 nicht wieder besetzt werden sollte.
1948
Das Fach Pastoraltheologie wird durch Prof. Dr. A. Stonner vertreten.
1951-1963
Nachdem der Fortbestand des Lehrstuhls lange Zeit unklar war, konnte er 1951 wieder mit einer ordentlichen Professur besetzt werden. Prof. Dr. A. Stonner wurde diese Aufgabe übertragen.
1963
Mit der Emeritierung Stonners sollte der Lehrstuhl für Pastoraltheologie wieder wegfallen und in zwei ordentliche Lehrstühle geteilt werden: Religionspädagogik und Homiletik einerseits und Liturgie und Pastoraltheologie andererseits.
1985
Berufung von Dr. W. Fürst an die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn zum Professor für das Fach Pastoraltheologie, von 1985 bis 2006 Direktor des neu errichteten Seminars für Pastoraltheologie.
2007
Berufung von Dr. J. Pock an die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn zum Professor für das Fach Pastoraltheologie.
2012
Berufung von Dr. J. Seip an die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn zum Professor für das Fach Pastoraltheologie.